Thüringen: Die vermeintlich abgestürzte AfD und der tatsächlich verlorene Bodo Ramelow

Kurzanalyse Nach der Kommunalwahl in Thüringen hieß es, der Durchmarsch der AfD sei gestoppt. Ein Blick auf die kreisfreien Städte und Landkreise zeigt: Dies ist mitnichten der Fall. Abgestürzt ist hingegen die Linke. Erste Erkennisse für die Zukunft
Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow erlebte einen regelrechten Absturz
Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow erlebte einen regelrechten Absturz

Foto: Photo2000/Imago Images

Aus der Thüringer Kommunalwahl vom vergangenen Sonntag gibt es sechs Erkenntnisse für die anstehenden Landtagswahlen im September zu ziehen. Die Linke ist abgestürzt, die SPD bleibt einstellig, die Grünen bleiben eine Studentenpartei: Für Bodo Ramelows rot-rot-grüne Regierungskoalition sieht es nicht gut aus. Für die CDU und die AfD hingegen schon. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht geht als große Gewinnerin hervor.

1. Da als Erstes die Bürgermeister und Landräte ausgezählt wurden, ergab sich in der Medienberichterstattung zunächst ein stark verzerrtes Bild. Dort hieß es fast überall, die AfD habe ihre Ziele bei weitem nicht erreicht, ja einen ordentlichen Dämpfer erhalten. Das ist natürlich Unsinn. Zieht man die Ergebnisse der Wahlen in den kreisfreien Städten und Landkreisen heran (wo es mehr um die Wahl von Parteien und weniger um die Wahl von Einzelpersönlichkeiten ging), ergibt sich ein völlig anderes Bild.

2. CDU und AfD sind die beiden landesweit dominierenden Kommunal-Parteien in Thüringen. Sie erreichten in allen 22 Landkreisen und kreisfreien Städten gute bis sehr gute Ergebnisse. Die CDU erzielte im katholischen Kreis Eichsfeld ihr Spitzenergebnis mit 45 Prozent, in der Stadt Suhl kam sie auf 37,2 Prozent, im Kreis Greiz auf 36,3 Prozent, im Saale-Orla-Kreis auf 36,2 Prozent, im Kreis Sömmerda auf 34,3 Prozent, im Weimarer Land auf 34 Prozent und im Wartburgkreis auf 31,3 Prozent.

Die AfD kam in acht von 22 Landkreisen und kreisfreien Städten auf über 30 Prozent. In der Stadt Gera erzielte sie ihr Spitzenergebnis mit 35,2 Prozent. Es folgen der Kreis Sonneberg mit 34,7 Prozent, der Kreis Saale-Orla mit 33,5 Prozent, Nordhausen mit 33,2 Prozent, Sömmerda mit 32,2 Prozent, das Altenburger Land mit 31,3 Prozent, der Kyffhäuser Kreis mit 31,2 Prozent und der Ilm-Kreis mit 30,9 Prozent. Über 25 Prozent lag die AfD noch in weiteren 5 Kreisen. Und dies trotz der kritischen Berichterstattung zur AfD in den letzten Wochen.

3. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow erlebte landesweit einen regelrechten Absturz. In 12 der 22 Kreise und kreisfreien Städte blieb sie einstellig. Nur in den Städten Jena (16,8 Prozent), Erfurt (14,8 Prozent), Weimar (13,8 Prozent), Gera (12,2 Prozent) und Suhl (10,8 Prozent) konnte sie zweistellige Ergebnisse erzielen, außerdem in den Kreisen Sömmerda (13,8 Prozent), Ilm (11,5 Prozent), Saale-Holzland (11,1 Prozent), Nordhausen (11 Prozent) und Altenburger Land (10,5 Prozent). Ihr schlechtestes Ergebnis erreichte sie im katholisch geprägten Kreis Eichsfeld (3,2 Prozent).

4. Die SPD, Koalitionspartner der Linken auf Landesebene, blieb in der Hälfte der Kreise einstellig, nur im Kyffhäuser Kreis (24,3 Prozent) im Kreis Schmalkalden-Meiningen (23,9 Prozent) und im Unstrut-Hainich-Kreis (22 Prozent) schaffte sie es über 20 Prozent. In den Städten, ihren einstigen Hochburgen, schaffte sie es gerade noch in Erfurt (16,2 Prozent), Weimar (14,2 Prozent) und Jena (13 Prozent) auf halbwegs erträgliche Ergebnisse, in Gera und Suhl liegt sie schon nahe an der 5-Prozent-Grenze.

5. Eine reine Studentenpartei bleiben die Thüringer Grünen, trotz ihrer Beteiligung an der Landesregierung in Erfurt. Nur in den beiden Universitätsstädten Weimar (15,4 Prozent) und Jena (15,2 Prozent) erzielten sie sehr gute Werte, doch in 16 von 22 Kreisen liegen sie unter vier Prozent. Dieses Schicksal teilen sie mit ihrer „Schwesterpartei“, den Liberalen. Nur in der Stadt Jena erreichte die FDP einen einsamen Spitzenwert von 9 Prozent, ansonsten pendelt sie, wie die Grünen, zwischen einem und drei Prozent unter ferner liefen.

6. Die drei Ampelparteien und die Linke sind die Wahlverlierer des vergangenen Sonntags. CDU, AfD, Unabhängige Wählergruppen und – wo das Bündnis Wagenknecht angetreten istdas BSW sind die großen Gewinner. Für die Landtagswahl im Herbst heißt das: Bodo Ramelow und seine R2G-Koalition stehen im Grunde schon auf verlorenem Posten. Nur mit der CDU hätte Ramelow eine politische Überlebenschance. Aber ob eine 30-Prozent-Partei einer 10-Prozent-Partei bei der Wahl des Ministerpräsidenten den Vortritt lässt, dürfte so gut wie ausgeschlossen sein.

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Geschrieben von

Wolfgang Michal

Journalist; Themen: Umbrüche & Entwicklungen

Wolfgang Michal

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