Die Investoren haben dem Börsenneuling bislang einen kühlen Empfang bereitet. Egal ob die Aktie sich erholen wird, steht eines fest: der Reichtum der Insider
Noch ist nicht abzusehen, ob die Facebook-Aktien sich am Ende als gewinnbringende Geldanlage oder als Flop herausstellen. Die bisherigen Markt-Reaktionen auf den Börsengang sollten allerdings eine Warnung sein. Auch wenn die Seite weltweit Millionen von Nutzern hat, ist noch nicht ausgemacht, wie groß der Profit ist, den das Unternehmen aus ihnen ziehen kann. Diese Skepsis scheinen die Märkte einzupreisen: Die Aktie wird jeden Tag ein paar Prozentpunkte niedriger taxiert. Facebook könnte in die Fußstapfen von Pets.com, Webvan und anderen Ende der neunziger Jahre gegründeten Start-up-Unternehmen treten, die kurz nach dem höchst einträglichen Börsengang implodiert sind.
Zwar ist eine Pleite unwahrscheinlich, aber es ist selbstverständlich m
Übersetzung: Holger Hutt
dlich möglich, dass das Geschäftsmodell des Unternehmens sich als nicht robust genug erweist, um bei der Marktkapitalisierung ganz oben in der ersten Reihe der Elite amerikanischer Unternehmen mitzumischen. Möglicherweise ist der Aktienwert in ein oder zwei Jahren bei der Hälfte oder noch weniger des Ausgangspreises angekommen. (Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Textes ist er bereits um 13 Prozent gefallen.)Prächtiger Insiderhandel In diesem Falle hat ein gewaltiger Reichtumstransfer stattgefunden: von den Aktienkäufer hin zu denjenigen, die beim Börsengang bereits über Aktien verfügten und diese verkaufen konnten. Viele aus dem Umfeld des Unternehmens werden durch einen Hype unglaublich reich geworden sein. Diese Insider profitierten davon, dass Zuckerberg und seine Kollegen es geschafft haben, das Profitpotenzial von Facebook für Investoren größer erscheinen zu lassen, als es in Wirklichkeit ist. Die Fähigkeit, einen Hype um ein Produkt (in diesem Fall die Aktie eines Unternehmens) loszutreten, kann für Einzelne zwar ungemein nützlich sein, ihr Wert für die Gesellschaft ist allerdings gleich null.Im Laufe der vergangenen 20 Jahre haben sich in der Wirtschaft viele Möglichkeiten für Leute aufgetan, deren größte Fähigkeit darin besteht, anderen Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen, ohne irgendetwas Produktives anzustellen. Die Wall Street ist das Zentrum solcher Praktiken. Viele amerikanische Spitzenverdiener betreiben auf Algorithmen spezialisierte Hedgefonds, mit denen sie großen Transaktionen zuvorkommen können. Wenn ein großer Investor vorhat, eine größere Menge an Aktien eines Unternehmens zu kaufen, können diese Hochgeschwindigkeitstrader kurz vorher noch schnell selbst Aktien erwerben und sie eine Sekunde später mit Gewinn wieder abstoßen.Es handelt sich hierbei also letzten Endes um eine Form von Insiderhandel – ein äußerst profitables Geschäft für den, der es erfolgreich betreibt – gesellschaftlicher Nutzen gleich null. Man kann sogar von einem gewissen Schaden sprechen, da ehrliche Investoren zu Schaden kommen und verschreckt werden. An der Wall Street kennt man noch viele andere Tricks. Allen voran den, auf die kostenlose staatliche Versicherung mit der impliziten Too-big-to-fail-Garantie zu setzen.Prognosen zurückgehalten Aber es geht hier nicht vorrangig um die Wall Street, sondern um überbewertete Technologie-Unternehmen. Selbst wenn Facebook im kommenden Jahr einen Großteil seines Wertes einbüßt, werden Mark Zuckerberg und andere Insider mit Sicherheit reiche Leute bleiben. Steve Case gehört schließlich auch immer noch zu den vermögendsten des Landes, obwohl man sein ehemaliges Unternehmen AOL heute für einen Apfel und ein Ei erwerben könnte. Das Geld dieser Leute ist nicht vom Himmel gefallen, es stammt von denen, die blöd genug waren, auf den Hype hereinzufallen.Im Fall von Steve Case waren die größten Trottel die führenden Manager von Tim Warner. Sie verkauften das größte Medienunternehmen weltweit und tauschten den Großteil seiner Aktien gegen AOL-Anteile ein. Wer den Handel mitmachte und seine AOL-Aktien aber nicht sofort wieder abstieß, verlor über die Hälfte seiner Anlagen. Wir wissen noch nicht, wer die großen Verlierer sein werden, wenn die Facebook-Aktien weiter sinken. Für individuelle Investoren, die das Risiko in Kauf genommen haben, weil sie hofften, Facebook werde es wie Google ergehen und nicht wie Webvan, gehört der Verlust zum Spiel dazu. Es ist, wie wenn man ein Lotterie-Los kauft. Wenn aber auch Rentenfonds, wissenschaftliche Stiftungen und andere institutionelle Investoren zu den Verlierern gehören sollten, sollte die Öffentlichkeit den Leuten, die diese Fonds betreiben, ein paar ernste Fragen stellen. Für gewöhnlich erhalten sie Gehaltschecks in Höhe von mehreren hunderttausend, wenn nicht Millionen von Dollar im Jahr. Sie sollten eigentlich nicht so leicht auf ein überbewertetes Startup-Unternehmen hereinfallen.Sollten die Facebook-Aktien sich erholen, ist diese ganze Diskussion natürlich gegenstandslos. Wir werden abwarten müssen, bis wir Gewissheit haben. Bis dahin gilt allerdings die Devise: Fallen Sie nicht auf den Hype rein! Es sei nicht vergessen, die für die Finanzindustrie zuständige Regulationsbehörde Finra untersucht derzeit Vorwürfe gegen die Bank Morgan Stanley, diese habe vor dem Facebook-Börsengang Prognosen über eine negative Aktienentwicklung zurückgehalten.