Als ich das Drehbuch zu DIE WITWE CLICQUOT von Erin Dignam zum ersten Mal las, sprang mir das Leben einer einzigartigen Frau, Barbe-Nicole Clicquot Ponsardin (Haley Bennett), ins Auge, das als Kampf zwischen der Gegenwart (1806) und einer eindringenden Flut von Erinnerungen (1799) erzählt wird. Ich sah sofort, dass es sich um eine einzigartige und persönliche Geistergeschichte handelt, voller Emotionen und sehr stark mit der Psychogeografie des Hauses und des Weinbergs verbunden, wo sie lebte. Im Grunde geht es um Beziehungen: eine zur Vergangenheit – zum Ehemann (Tom Sturridge) – und die andere zum Mentor und Vertriebspartner der Witwe in der Gegenwart – Louis Bohne (Sam Riley). Letztlich geht es aber um Barbe-Nicoles sich wandelnde Beziehung zu sich selbst und ihrer Arbeit (den Weinstöcken), um ihre eigene Kraft, ihre eigene Identität und ihr eigenes unglaubliches Vermächtnis.
Wie bei BOULEVARD DER DÄMMERUNG (Sunset Boulevard, 1950) beginnt die Geschichte mit einer unbekannten Leiche, einem jungen Ehemann, François Clicquot, und einer frischgebackenen Witwe von 26 Jahren. Ein Strang des Films füllt langsam die Lücken eines gelebten und dann auf tragische Weise verlorenen Lebens. Wenn man so will, ist dieser Teil des Films eine Reise in die Vergangenheit. In der Gegenwart wird das Leben von Barbe-Nicole Clicquot Ponsardin als junge Witwe nachgezeichnet – ihr Kampf, Eigentümerin zu werden, und ihr verzweifelter Versuch, die Arbeit fortzusetzen, die sie mit ihrem Mann begonnen hatte; ihre Versuche, im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts ein Geschäft aufzubauen, als sie ihren Champagner aufgrund der napoleonischen Kriege und der damit verbundenen Beschränkungen weder verkaufen noch ins Ausland exportieren konnte; ihre Entscheidung für den Schmuggel und die Verschiffung ihres ersten Jahrgangs nach Amsterdam mit der Hilfe von Louis Bohne.
Der Tod des Mannes verändert alles
DIE WITWE CLICQUOT ist die Chronik der Entwicklung einer überaus einfallsreichen und unternehmerischen Kraft. Barbe-Nicole war eindeutig eine außergewöhnliche und engagierte junge Frau. Sie fand einen Weg, weiterzumachen, und produzierte nicht nur einen der größten Jahrgangschampagner aller Zeiten, sondern sie schaffte es auch, ihn durch eine Blockade hindurch zu ihrem Markt nach St. Petersburg zu transportieren. Der Film konzentriert sich auf ihre Arbeit, ihre Hingabe an die Reben, und setzt einen Kontrapunkt zu den Erinnerungen an ihre Ehe, die langsam in die Brüche geht. Der Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart ermöglicht uns einen Einblick in das Innenleben dieser außergewöhnlichen Frau, die in dem Moment ihre Kraft entfaltet, als ihr Mann seinen Kampf gegen Geisteskrankheit und Opium verliert. In unserer Geschichte verlässt Barbe-Nicole Clicquot Ponsardin den Weinberg nach dem Tod ihres Mannes nicht mehr, sie war für immer „mit den Reben verheiratet“. Abgesehen von der letzten Gerichtsszene spielt sich der gesamte Film in den Gängen und Räumen des Hauses, des Lagerhauses, des Weinbergs und der Kellerei des Weinguts der Familie Clicquot ab. In dieser Begrenzung sah ich eine seltsame Art von kreativer Freiheit und Entfaltung. Die Schönheit des Weinbergs von Verzy wird zu einem psychologischen Gefängnis, aus dem sie nicht entkommen will, und erst in der Schlusssequenz im Gerichtssaal ist sie gezwungen, sich über die Mauern ihres Gefängnisses hinauszuwagen.
Der Film endet mit ihrem endgültigen Entschluss, Witwe zu bleiben und sich allein den Weinreben zu widmen. In diesem kleinen Triumph, der meiner Meinung nach die Vergangenheit endgültig austreibt, ist der Geist ihres Mannes zur Ruhe gekommen. Es ist ein starker und ergreifender Moment der Selbstverwirklichung, und ich denke, es ist unglaublich relevant, eine Frau aus der napoleonischen Zeit zu sehen, die so unerschütterliche Werte und Selbstvertrauen hat. Ich liebe alle Figuren in dieser Geschichte, und die Schauspieler haben wirklich alles gegeben, um diese Darstellungen im Regen und im tiefen Schlamm eines französischen Novembers auszugraben und abzuliefern. Dieser Film war ein Werk der Liebe, eine echte kollektive Leistung. Das Wissen, dass wir die zarten Fäden dieser großartigen Geschichte in der Hand halten, hat uns zusammengeschweißt, und ich fühle mich sehr geehrt, Teil dieses erstaunlichen Teams von Kreativen und Produzenten gewesen zu sein. DIE WITWE CLICQUOT ist ein wahrhaft unabhängiger Film – wir sind stolz darauf, in Toronto Premiere zu feiern, und können es kaum erwarten, den Film mit Ihnen zu teilen
– Regisseur Thomas Napper