Es sind weltweit aufwühlende Zeiten, etwas ist in Bewegung geraten: Die über Jahrhunderte festgefügte Plattentektonik des globalen Machtgefüges verschiebt sich und die Filmkunst greift diese Entwicklung auf. Afrikanische Dokumentarfilmschaffende setzen sich zunehmend mit ihrer Geschichte auseinander, die in den meisten Ländern mit der europäischen Kolonialgeschichte eng verknüpft ist. Die Mauer des Schweigens wird durchbrochen, das Kapitel der Aufarbeitung ist aufgeschlagen – von beiden Seiten. Ein neues Momentum für Dekolonialisierung ist gekommen.
African Encounters nimmt den Gesprächsfaden der Dekolonialisierung auf. Mit vier Filmen, Filmgesprächen und einer Podiumsdiskussion wollen wir die aktuellen Debatten und Sichtweisen auf den Kolonialismus in Afrika aufzeigen und mit den Filmschaffenden ins Gespräch kommen. Was hat sie zu den Filmen bewegt? Warum gerade jetzt? Und mit welcher Perspektive? Was hat die Aufarbeitung der Geschichte mit Veränderung bzw. Entwicklung heute zu tun?
Dokumentarfilme bilden die Strömungen der Zeit ab und halten uns den Spiegel der Entwicklungen vor, verdichten das Zeitgespräch der Gesellschaft visuell und machen es so emotional erfahrbar. Das Vergangene bedingt dabei stets das Heute. Mit einem neuen postkolonialen Selbstverständnis kann die Emanzipation der Länder des globalen Südens gelingen.
Die Filme
Das leere Grab
Deutschland 2024, Agnes Lisa Wegner, 97 Min., OmeU
Zwei tansanische Familien auf der Suche nach den Gebeinen ihrer Vorfahren: Die deutsche Kolonialverwaltung tötete nicht nur ihre Anführer, sondern brachte deren Gebeine zu rassistischen Forschungszwecken nach Deutschland. Tausende davon liegen in deutschen Museumsdepots und warten auf Repatriierung in ihre Heimat. Eine historische Verantwortung für die Toten und die Lebenden, um Frieden zu finden.
Der neue gute Deutsche
Deutschland 2023, Peter Heller, 72 Min., OmdU
Der in Deutschland lebende Kameruner Jean Pierre Felix-Eyoum begibt sich auf die Spurensuche nach seinem Großonkel, dem kamerunischen König Rudolf Duala Manga Bell. Als Kind ging dieser in den 1890er Jahren in Deutschland zur Schule und setzte sich später als König für die Rechte seiner Landsleute ein. Dies wurde ihm zum Verhängnis: 1914 verurteilte die Deutsche Kolonialverwaltung Manga Bell zum Tod.
Our Land, Our Freedom
USA, Kenia, Portugal, Deutschland 2023, Zippy Kimundu, 100 Min., OmeU
Auf der Suche nach den sterblichen Überresten ihres Vaters, dem kenianischen Mau-Mau Freiheitskämpfer Dedan Kimathi, begegnet seine Tochter Wanjugu ehemaligen Mitstreiter*innen des Vaters. Bis heute warten die Veteranen auf die Rückgabe von enteignetem Land durch die kenianische Regierung und die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien. Wanjugu führt den Kampf ihrer Eltern für Freiheit und Gerechtigkeit weiter.
This is my Moment
Belgien, Frankreich, Niederlande 2024, Lieven Corthouts, 104 Min., OmeU
Die Begeisterung der Radsportfans ist groß, als Biniam Girmay 2022 eine Etappe des Giro d‘Italia gewann – als erster Radsportler aus einem afrikanischen Land. Der Film begleitet Girmay über zwei Jahre auf seinem harten Weg in dieser noch immer zutiefst europäisch geprägten Kernsportart: Als junges Talent aus Eritrea, über die Trainingslager des Weltverbandes bis zu seinen ersten Momenten des Erfolgs.