In Kooperation mit jip Film & Verleih

Tradition und Tod

Der Tanz- und Historiendokumentarfilm „Pol Pot Dancing“ vom Regisseur Enrique Sánchez Lansch erzählt auf verschiedenen zeitlichen Ebenen vom Werdegang und der Herrschaft Pol Pots, untrennbar verbunden mit dem klassischen kambodschanischen Tanz

Szene aus dem Film „Pol Pot Dancing“
Szene aus dem Film „Pol Pot Dancing“

Foto: jip film & verleih

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Pol Pot Dancing

Pol Pot Dancing

Enrique Sánchez Lansch

Dokumentarfilm

Deutschland u.a. 2023

101 Minuten

ab dem 05. Dezember im Kino!

In Kooperation mit jip Film & Verleih

Pol Pot Dancing

Im Königspalast von Kambodscha zieht die Startänzerin Chea Samy liebevoll den kleinen Bruder ihres Mannes auf, als wäre er ihr eigener Sohn, schickt ihn auf die besten Schulen und ermöglicht ihm ein Studium in Paris. Jahre später, als Zwangsarbeiterin unter der Herrschaft der Roten Khmer, erfährt sie, dass ihr Pflegesohn niemand anderes ist als der Diktator Pol Pot.

Zwischen 1975 und 1979 wird unter seiner Führung geschätzt ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung ermordet, der klassische kambodschanische Tanz stand kurz vor dem Aussterben. Chea Samy überlebt jedoch und widmet sich der Ausbildung hunderter traumatisierter junger Mädchen zu Tänzerinnen. Sie bietet ihnen nicht nur eine Perspektive, sondern bewahrt eine tief in der Kultur verwurzelte Tradition vor dem Vergessen. Heute zählt dieser Tanz zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Der Tanz- und Historiendokumentarfilm „Pol Pot Dancing“ von Erfolgsregisseur Enrique Sánchez Lansch (RYTHM IS IT!) erzählt auf verschiedenen zeitlichen Ebenen vom Werdegang und der Herrschaft Pol Pots, untrennbar verbunden mit dem klassischen kambodschanischen Tanz. Der Film kombiniert nie gesehenes Archivmaterial aus den 1920er bis 1990er Jahren, Originalinterviews und Choreografien, die die Geschichte Pol Pots nacherzählen, und geht auf Spurensuche bis in die Gegenwart.

Die Protagonist*innen

Chea Samy

1919 in der Provinz geboren, kam Chea Samy als sechsjährige Bauerntochter zum Tanzensemble des Königspalasts. Dort wurde sie von der Königstochter Soumphady ausgebildet. Protegiert durch König Sisowath Monivong, dessen Geliebte sie zeitweise war, avancierte sie zur Starsolistin, die die wichtigsten Frauenrollen tanzte, so auch die der Moni Mekhala. Nach dem Tode Monivongs heiratete sie den Palastbeamten Saloth Suong. Dieser holte seinen jüngeren Bruder Saloth Sar aus der Provinz nach Phnom Penh zu ihnen, den Chea Samy wie ein eigenes Kind aufzog. Nach Ende ihrer Karriere als Tänzerin wurde sie eine begehrte Lehrerin des klassischen kambodschanischen Tanzes im Königspalast wie auch außerhalb.

1975 bis 1979 wurde sie wie Millionen anderer Kambodschaner aufs Land getrieben, um dort Zwangsarbeit zu leisten. Dabei lebte sie in ständiger Angst, man könne herausfinden, dass sie einst Tänzerin im Königspalast war. 1978 war sie in der Spülküche einer Großkantine eingeteilt, als Plakate von Pol Pot aufgehängt wurden und sie in ihm ihren Ziehsohn erkannte. Von jahrelangem Hunger und harter Arbeit gezeichnet, kehrte sie als eine der wenigen überlebenden Tänzerinnen 1979 nach Phnom Penh zurück und begann, junge Mädchen auszubilden. Es gelang ihr, den klassischen kambodschanischen Tanz wiederzubeleben. Sie folgte Einladungen zu Master Classes im Ausland, u.a. in den USA, und bildete bis zu ihrem Tod 1994 Hunderte von Tänzerinnen aus, u.a. Sophiline Cheam Shapiro.

Sophiline Cheam Shapiro

wurde 1967 in Phnom Penh geboren. Nach den ersten unbeschwerten Kindheitsjahren wurde sie mit ihren Eltern und Geschwistern wie Millionen andere Kambodschaner 1975 von den Roten Khmer aufs Land getrieben. Die folgenden Jahre waren vor allem durch Angst, Hunger und harte Feldarbeit geprägt. Nach 1979 gehörte sie zur ersten Generation von Tänzerinnen des klassischen kambodschanischen Tanzes, die nach der Herrschaft der Roten Khmer ausgebildet wurde. Nach zwölfjähriger Ausbildung in Phnom Penh, unter anderem als Schülerin von Chea Samy, übersiedelte sie 1991 in die USA und studierte Tanzethnologie an der UCLA.

Seit ihrer Rückkehr nach Kambodscha 2005 arbeitet sie mit ihrem Sophiline Arts Ensemble. Sie pflegt die Tradition, aber entwickelt sie auch weiter, indem sie das Vokabular des klassischen kambodschanischen Tanzes mit Anleihen bei der Bewegungssprache George BaLanschines oder Merce Cunninghams anreichert. In ihren choreographischen Arbeiten wendet sie sich auch zeitgeschichtlichen Themen zu wie den Zwangsheiraten unter den Roten Khmer oder adaptiert westliche Dramenstoffe wie Shakespeares Othello oder Mozarts Zauberflöte. Ihre Choreographien sind weltweit immer wieder auf Gastspielen zu sehen und wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet.

Prumsodun Ok

1987 im kalifornischen Long Beach geboren, ist Prumsodun Ok Sohn kambodschanischer Eltern, die vor den Roten Khmer geflohen waren. Während Sophiline Cheams Aufenthalt in den USA entdeckte er als Teenager den klassischen kambodschanischen Tanz und wurde ihr Schüler. Um sich tiefergehend mit dem Tanz und der kambodschanischen Kultur zu beschäftigen, entschloss er sich, in das Land seiner Eltern überzusiedeln.

Er arbeitet als Schüler Sophilines immer wieder mit ihr zusammen, konzentriert sich aber auf eigene Choreographien, bei denen er das Bewegungsvokabular des klassischen kambodschanischen Tanzes mit Elementen von Modern Dance und Hip Hop mischt. Neben solistischen Arbeiten hat er mit Prumsodun Ok & NATYARASA, Kambodschas erster Gay Dance Company, das erste rein männliche Ensemble gegründet, das sich auf der Grundlage des klassischen kambodschanischen Tanzes bewegt, der sonst bis auf einige wenige Rollen allein Tänzerinnen vorbehalten ist. Er arbeitet oft interdisziplinär, tourt weltweit mit seinem Ensemble oder solistisch und zählt zur künstlerischen Avantgarde Südostasiens.

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