In Kooperation mit Farbfilm Verleih

Porträt einer polarisierenden Künstlerin

Peaches hat sich im Laufe ihrer Karriere nicht nur in ihren Texten immer stärker politisch geäußert. Daher ist ein Film über Peaches auch ein Film über den Siegeszug des Feminismus und befreiter Sexualität in der Musik und in der Kunst bis heute

Die Künstlerin Peaches bei einem Interview im Jahr 2001
Die Künstlerin Peaches bei einem Interview im Jahr 2001

Foto: Bell Media Inc.

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Teaches of Peaches

Teaches of Peaches

Philipp Fussenegger und Judy Landkammer

Dokumentation

Deutschland 2024

102 Minuten

Ab 9. Mai 2024 im Kino!

In Kooperation mit Farbfilm Verleih

Teaches of Peaches

Merrill Beth Nisker, geboren 1966, wächst in Toronto als Teil einer jüdischen Familie polnisch-ukrainischer Abstammung mit dem traditionellen Judentum auf. Sie erkennt früh, dass sie aus den typischen Rollen ausbrechen möchte. Bereits als Kind fühlt sich Peaches an ihrer jüdischen Privatschule, wo der Unterricht in Englisch und Hebräisch stattfindet, fehl am Platz. Sie möchte ihre Kreativität ausleben, aber die Schule mit ihren strengen Regeln und festen Strukturen gibt ihr dafür keinen Raum. Antisemitismus erlebt sie bereits auf dem Schulweg: Kindern der benachbarten Katholischen Schule beschimpfen sie und schmeißen Steine nach ihr.

Ihre Liebe zur Musik entdeckt Merrill Nisker früh. Sie bekommt Klavier-Unterricht und bringt sich selbst das Gitarre spielen bei. An der Universität erkennt sie schnell, dass das Theater-Studium nichts für sie ist. Ihren Wunsch, Regisseurin zu werden, lässt sie fallen. Stattdessen geht sie ihrer Leidenschaft Musik immer intensiver nach, aber sie stellt sich nicht gleich selbst auf die Bühne, sondern unterrichtet erst einmal in jüdischen Kindergärten und Privatschulen Musik. Sie liebt es mit Kindern zu arbeiten und lässt sich von ihrer Unmittelbarkeit inspirieren. Sie probiert sich als Sängerin im Folk-Trio Mermaid Café aus, doch nach einem Jahr hat sie das Gefühl, sich zu sehr an ein bereits bestehendes Genre anpassen zu müssen und verlässt die Band.

1994 erkrankt Merrill Nisker an Schilddrüsenkrebs. Nachdem sie den Krebs besiegt hat, überdenkt sie ihr bisheriges Leben und kommt zu dem Entschluss, ab sofort nur noch zu machen, was sie selbst wirklich will. Sie bringt sich selbst das E-Gitarre-Spielen bei und gründet 1995 mit zwei Freund*innen eine Noise-Rock Band, die sie „The Shit“ nennen und mit der sie ihre Bühnenpersönlichkeit Peaches erfindet. Die Freund*innen sind Jason Beck, nun besser bekannt als Chilly Gonzales, und Dominique Salole a.k.a. Mockey. Sie lebt zur gleichen Zeit mit der Sängerin Feist zusammen in einem Appartement über einem Sexshop, was die beiden zu einigen Texten inspiriert. Peaches beginnt mit Geschlechterrollen zu spielen und den Mainstream Pop sowie vor allem auch Hip-Hop mit seinen frauenverachtenden Texten zu kritisieren.

Ihre Bandmitglieder von „The Shit“ verlassen nach und nach Toronto, Peaches kauft sich die Groovebox Roland MC-505 und stellt fest, dass sie damit keine Band mehr braucht. Sie kann jetzt alle Instrumente selbst spielen, was ihrem individualistischen Charakter mehr entspricht. Sie schreibt Songs, veröffentlicht Musik und arbeitet an ihrer Bühnenshow.

Inspiriert von Nina Simones Song „Four women“, der die Diskriminierung und Unterdrückung schwarzer Frauen thematisiert, und der mit der Textzeile „My name is Peaches“ endet, wird aus Merrill Nisker die Künstlerin Peaches.

Mit Abstand betrachtet, erscheint Peaches ihr internationaler Durchbruch wie eine Kombination aus unglaublichen Zufällen: Bei einem ersten Live-Auftritt in einem kleinen Club in Toronto spielt sie „Fuck the pain away“ zum ersten Mal live vor Publikum. Die Soundmixerin zeichnet ihren Auftritt aus Spaß auf, das Tape erwirbt Peaches nach dem Auftritt für 5 Dollar. Es wird ihr Demo und überzeugt die Berliner Independent-Plattenfirma Kitty-Yo sofort, ihr einen Plattenvertrag zu geben, als sie ihren Freund Chilly Gonzales im Jahr 2000 in Berlin besucht. In dieser Originalversion wird der Song nicht mehr verändert, bis heute ist „Fuck the Pain away“ mit seiner rauen Energie und dem ungeschliffenen Sound nie wieder neu aufgenommen worden.

Der Song begründet Peaches Ruf als sexpositive Feministin, er bezieht sich auf Blondies Hit „Call me“ und auf die legendäre Frontfrau Chrissie Hynde von „The Pretenders“. Die Zeile „Stay in school, cause it‘s the best“ spielt auf Peaches frühere Beschäftigung als Lehrerin an, IUD ist eine Spirale zur Schwangerschaftsverhütung.

Innerhalb kürzester Zeit findet Peaches ihre neue Heimat in Berlin und wird dort schon bald als heißester Geheimtipp der Club-Szene gefeiert. Ihr erstes Album „The Teaches of Peaches“ mit dem Hit „Fuck the Pain away“ wird ein weltweiter Erfolg. Es sind vor allem die Texte und ihr provokantes Auftreten, das neu und anders ist und für Aufmerksamkeit und Begeisterung sorgt. Der Song wurde von anderen Freund*innen offiziell und inoffiziell sehr oft gecovert und in vielen Spielfilmen verwendet, unter anderem bei Sofia Coppolas „Lost in Translation“ und gerade wieder aktuell als Chorversion von Highschoolschüler*innen gesungen in der sehr erfolgreichen Netflix-Serie „Sex Education“.

Für Peaches, die mittlerweile seit über 20 Jahren in Berlin lebt, ist der Freiheitsbegriff existentiell, für sie persönlich ebenso wie für ihre Kunst. Ein Thema, das sich kontinuierlich durch ihre Musik zieht, ist die Frage nach echter Freiheit. In Interviews wirkt Peaches bescheiden, ruhig, intelligent, reflektiert und verletzlich. In ihren mitreißenden Shows verwandelt sich die Musikerin in eine scheinbar andere Persönlichkeit, denn sie ist auf der Bühne laut, stark, dominant, schräg und provokant.

Auch wenn Gender-Themen heute in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen sind, polarisiert Peaches mit ihrer Kunst noch immer. Eine Künstlerin, die sich kritisch und intelligent zu den Themen Sexualität, Macht und Patriarchat äußert, wird nach wie vor angegriffen. Peaches war zu Anfang des Jahrtausends ihrer Zeit weit voraus, denn erst jetzt werden Gender-Themen in Politik und Gesellschaft immer selbstverständlicher.

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