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Dialog mit dem Drachen

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Marina Rudyak

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Politik : Absichtlich vernachlässigt

Enttäuscht von der offiziellen Politik proben immer mehr Griechen den zivilen Widerstand

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Der Mehrheit der Griechen ist mittlerweile klar, dass sie von der politischen Klasse ihres Landes nichts mehr zu erwarten hat. Der 43 Jahre alte Yannis arbeitet in einer Athener Bank und will sein Büro nicht verlassen, weil es zu Hause zu kalt ist. Seit es eine Sondersteuer auf Erdgas und Heizöl gibt, kann in seinem Block niemand mehr die Rechnungen bezahlen. Yannis‘ 16-jährige Tochter Sophia will nicht mehr zur Schule gehen, weil sie keinen Sinn darin sieht, sich auf Prüfungen vorzubereiten, während sie zugleich weiß, dass sie in Griechenland keinen Job finden wird.

Oder nehmen wir Eleftherias Vater, der im Dorf Kymi lebt. Heute hat er seine Tochter in Athen angerufen, als sie gerade auf dem Weg nach Hause war, und sie zögernd um Geld gebeten, damit er seine Medizin kaufen kann. Die wird von der staatlichen Krankenkasse nicht länger bezahlt. Seine Rente wurde vor kurzem um die Hälfte gekürzt. „Aber bitte“, flehte er sie an, „sag nichts deiner Mutter“. In Athen sind die Straßen, in denen Eleftheria unterwegs ist, von Müll gesäumt, der dort schon seit mehreren Wochen liegt.

Derzeit verlieren täglich Hunderte ihren Arbeitsplatz. Zugleich hat die Regierung die Steuern erhöht und neue Abgaben eingeführt, während die Löhne zusammengestrichen werden. Die offizielle Arbeitslosenzahl ist 2011 um mehr als 35 Prozent gestiegen und liegt nun knapp unter 20 Prozent. Auch nimmt die Obdachlosigkeit zu, die Steuern auf Lebensmittel wurden von 13 auf 23 Prozent angehoben.

Tränengas hilft nicht mehr

Parallel dazu wird das öffentliche Verkehrssystem demontiert, können die Krankenhäuser des Landes kaum noch ihren Aufgaben nachkommen, werden in den Schulen keine Bücher mehr verteilt, sehen sich Universitäten schleichender Auflösung ausgesetzt. Die Schuld an der Misere wird offiziell einem „aufgeblasenen“ öffentlichen Sektor zugeschoben, der absichtlich vernachlässigt wird, um den Bürgern die Privatisierung schmackhaft zu machen.

In einem solchen Augenblick, da die Spielregeln ebenso wie das Spiel selbst in Frage gestellt werden, greifen die Bürger ihre Politiker nicht mehr nur verbal an, sondern auch körperlich. Sie verspotten bei Paraden anwesende Offiziere und bringen die Aufmärsche zum Erliegen, beteiligen sich an Nachbarschaftsmeetings und Massendemonstrationen – egal, wie viel Tränengas die Polizei versprüht. Sie rufen Graswurzelgewerkschaften ins Leben, besetzen Betriebe und greifen zu Formen gewaltsamen Protestes.

Wenn so viele Menschen nichts mehr zu verlieren haben, wird alles möglich. In der Athener Vorstadt Nea Ionia ruft die Gemeindeverwaltung die Bürger dazu auf, die neue Steuer zu verweigern, und erklärt auf ihrer Homepage, wie das geht. Sie verspricht rechtlichen Beistand und bietet sogar an, dabei zu helfen, abgeklemmte Stromleitungen wieder anzuschließen.

Der Widerstand gegen die Regierung greift um sich. Die Menschen fangen an, sich darüber klar zu werden, dass die Möglichkeit eines handfesten Wandels nur dadurch erreicht werden kann, dass sie ihre Gewohnheiten ändern und sich an der Politik aktiv beteiligen.

Hara Kouki und Antonis Vradis berichten für den Guardian


Übersetzung: Holger Hutt
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